Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich im ersten Moment etwas überrascht war, dass ausgerechnet die Bergenie zur Staude des Jahres 2017 gewählt wurde. Sie begleitet mich nun schon seit Beginn meiner Stauden-Laufbahn und war immer ein fester Bestandteil des Sortiments. Robust und zäh, doch auch etwas antiquiert und langweilig; mit diesem Ruf war sie leider nicht immer die Nummer eins auf der Wunschliste unserer Kunden. Auch ich habe sie in den letzten Jahren offensichtlich zu wenig im Fokus gehabt. Zu Unrecht, wie ich zugeben muss, denn diese unkomplizierten und ausdauernden Gewächse haben es wirklich verdient, dass sie beachtet und geliebt werden. Zudem sind in den letzten Jahren noch jede Menge tolle neue Sorten entstanden, die absolut gartenwürdig sind und das Sortiment extrem bereichern.
Die bescheidenen Bergenien vereinen viele gute Eigenschaften in sich, die sie zu perfekten Beetbegleitern für fast jeden Standort machen. Ob Sonne, ob Schatten, sie gedeihen überall und trotzen sowohl langanhaltenden Trockenperioden, als auch den neuerdings eher nassen als kalten Wintern, in denen so manch andere Staude längst das Handtuch geworfen hat. Am wohlsten jedoch fühlen sie sich an einem sonnigen bis halbschattigen Plätzchen mit tendenziell eher trockenem Boden. Das danken sie uns mit einer Vielzahl von frühen Blütenständen und gesunden glänzenden Blättern. Und nicht nur das, sie bleiben auch noch wintergrün dabei! Oder auch winterrot, denn manche Sorten verwandeln ihre Blätter zum Herbst hin in wahre Leuchtfeuer der verschiedensten Rottöne. Das macht sie auch zu einer sehr beliebten Staude für die Floristik. Hier finden sowohl die langlebigen Blätter als auch die dekorativen glocken-förmigen Blüten häufige Verwendung.
Die Gattung Bergenia gehört zu den Steinbrechgewächsen und stammt ursprünglich aus Asien, genauer gesagt aus der Mongolei, China und dem Himalaja. Dort findet man sie häufig in halbschattigen Wäldern und an Bachläufen. Den botanischen Namen Bergenia erhielt sie bereits 1794 zu Ehren des bedeutenden Mediziners und Botanikers Karl August von Bergen.
In England wird die Bergenie umgangssprachlich Pigsqueak ( = Schweinequiek) genannt. Dieser kuriose Name leitet sich wohl von dem Geräusch ab, welches beim Aneinanderreiben der frischen, dickfleischigen Blätter entsteht. Das finde ich persönlich eigentlich viel schöner und lustiger als den etwas langweiligen deutschen Namen Riesen-Steinbrech. In England hat die Bergenie auch einen besseren Stand als hierzulande. Dies hat sie vor allem der Gartenkünstlerin Beth Chatto zu verdanken. In ihrem berühmten Kiesgarten in Essex pflanzte sie breite Streifen mit älteren und neuen Sorten und brachte sie so zurück in die Köpfe der Staudenfreunde.
Sehr beliebt sind unter anderem die rosaroten Sorten Bergenia cordifolia 'Morgenröte' und Bergenia cordifolia 'Herbstblüte'. Sie gehören zu den Züchtungen, die nach einem blütenreichen Auftritt im Frühling noch ein zweites Mal im Herbst die Bühne betreten. Ihre gesunden glänzend grünen Blätter sind im Winter ein schöner Blickfang im sonst so kargen Staudenbeet.
Wer auf starke Farben steht, dem wird Bergenia cordifolia 'Eroica' gefallen. Ihre purpurvioletten Blüten stehen in aufregendem Kontrast zu den großen rötlich grünen Blättern, die sich zum Herbst hin tiefrot verfärben. Sehr empfehlenswert ist auch die zierliche Sorte 'Wintermärchen'. Ihr Name hält was er verspricht, denn ganz besonders märchenhaft leuchten die erst orangefarbenen, später tief dunkelroten Blätter im verschneiten Winter-Wunderland. Je mehr Sonne sie erhaschen können, desto intensiver verfärben sie sich.
Um dunkle Gartenecken aufzuhellen, bieten sich besonders die weißblühenden Sorten an. Hier gefällt mir persönlich am besten die relativ neue Sorte 'Bach'. Ihre zarten weißen Blüten bekommen im Verblühen einen leicht rosa Touch und wirken romantisch verspielt. Ein Lichtblick im Schatten sind aber auch die altbewährten Sorten 'Silberlicht' und 'Bressingham White'. Für Beetränder oder Mauerkronen eignen sich wunderbar die neuen kompakten Züchtungen der Terra Nova Auslese 'Dragonfly'. Die Sorten 'Dragonfly Angel Kiss' und 'Dragonfly Sakura' zeigen sich in besonders aparter Winterfärbung, Letztere bekommt außergewöhnliche tiefpurpurne fast schon schokoladenbraune Blätter.
Meine Lieblingssorte ist aber nach wie vor die Bergenia cordifolia 'Rote Schwester'. Die hübsche Züchtung der Staudengärtnerin Rosemarie Eskuche ist super gesund und sieht das ganze Jahr über klasse aus. Ihre leuchtenden hellroten Blüten auf rötlich angehauchten Stängeln sind weithin sichtbar und lenken jeden Blick auf sich. Im Herbst färben sich die mittelgroßen Blätter tiefrot und sehen den ganzen Winter über propper und gesund aus. Wie alle Bergenien, an dieser Stelle werden die meisten Gartenbesitzer aufhorchen, ist sie absolut uninteressant für Schnecken. Sollte es dennoch einmal zu Fraßschäden an den Blättern kommen, ist höchstwahrscheinlich der Dickmaulrüssler beteiligt, den man aber gut mit biologischem Pflanzenschutz bekämpfen kann.
Zu guter Letzt möchte ich noch meinen lieben Staudenkollegen dafür danken, dass sie die Bergenie zur Staude des Jahres gewählt haben. Manchmal braucht man scheinbar einen kleinen Anstoß um den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. Bergenien werden jetzt definitiv wieder öfter auf meinem Plan stehen und ganz bestimmt auch den ein oder anderen Gartenfreund für sich gewinnen. Versprochen!
[Text Marion Hüning]