"Prima", habe ich gedacht, als ich von der Wahl des Knöterichs zur Staude des Jahres erfahren
habe, "da ergibt sich ja endlich mal die Möglichkeit, den leider immer noch schlechten Ruf dieser
vielseitigen und hübschen Pflanzengattung aufzumöbeln." Denn erwähnt man im Kundengespräch
den Knöterich, schlägt so mancher Gartenbesitzer die Hände über dem Kopf zusammen und nicht
selten kommt ein Kommentar wie: „Bloß nicht dieser Wüterich", oder: „Den hatten wir schon mal,
der hat unseren halben Garten unter sich begraben!" Gemeint ist in der Regel der Schling-Knöterich
(Fallopia aubertii), das auch als „Architektentrost" bekannte Kletter-Gehölz, welches tatsächlich in
kürzester Zeit große Flächen berankt und nur schwer im Zaum zu halten ist.
Dennoch sollte man nicht den Fehler machen, alle Knöterich-Arten über einen Kamm zu scheren
und sich dadurch seiner reizvollen Verwandtschaft zu verschließen. Einige aus der Familie möchte
ich gerne genauer vorstellen. Zuerst jedoch etwas zur Herkunft des Knöterichs, der überwiegend in
der nördlichen Hemisphäre zuhause ist. Die meisten Arten kommen aus Asien, Nordamerika und
dem Mittelmeerraum, wo sie auf feuchten Wiesen und in Wäldern anzutreffen sind. Daraus lässt sich
schließen, dass sie eine gute Wasser- und Nährstoffversorgung lieben; es gibt jedoch auch einige
Arten, die eine erstaunliche Trockenheitsresistenz aufweisen. Der ursprüngliche Name Polygonum,
leitet sich aus Poly (=Viel) und Gony (=Knie) ab, was sich auf die Vielzahl der Knoten in den Stängeln
bezieht und ihm wohl auch seinen deutschen Namen Knöterich eingebracht hat.
Schlägt man allerdings aus alter Gewohnheit den Staudenkatalog unter Polygonum auf, wird man daran erinnert, dass diese vor einiger Zeit in weitere Gattungen aufgesplittet wurden und dass man entweder zu Aconogonon, Bistorta, Fallopia oder Persicaria weiterblättern soll. (In Anbetracht dieser Wirren ist mir mittlerweile auch klar geworden, warum so viele Kunden bei der Erwähnung botanischer Namen frustriert abwinken.)
Versuchen wir also Licht in das Dunkel der Knöterich-Arten zu bringen und beginnen mit der am meisten verwendeten Art: dem Schecken-Knöterich (Bistorta affinis). Die 20-30 cm hohen kolbenförmigen Blütenstände verfärben sich je nach Sorte von weißlich über rosa zu dunkelrot, bis hin zu bräunlichen Samenständen, welche ihm von Juli bis zum Frost ein attraktives Aussehen bescheren. Durch das flache dichte Laub ist er ein hervorragender Bodendecker, der ein kühles halbschattiges Plätzchen bevorzugt. Bewährte Sorten sind Donald Lowndes, Darjeeling Red, Dimity, Kabouter und Superbum.
Meine persönlichen Lieblinge sind die Kerzen-Knöteriche (Bistorta amlexicaulis). Sie sind ungeheuer anpassungsfähig und vertragen sowohl trockene Böden in voller Sonne als auch feuchte Standorte im Tiefschatten und sind aufgrund ihrer tollen Farben und der langen Blütezeit (von Juli bis Oktober) unersetzbar im Staudenbeet. Durch ihre klare Linie bringen sie Struktur ins Beet und sind in der Lage, unterschiedliche Pflanzsituationen harmonisch miteinander zu verbinden. Besonders gut zur Geltung kommen sie in Begleitung luftig wirkender Stauden oder filigraner Gräser.
Angeboten werden heutzutage jede Menge schöner Sorten, die in Farbe und Höhe variieren. Die bekannteste rote Sorte ist 'Speciosum' (wird manchmal auch als 'Firetail' angeboten). Sie ist sehr wüchsig und mit gut 120 cm die Höchste ihrer Art. Soll es nicht ganz so üppig sein, ist die hübsche rote Sorte 'Inverleith' zu empfehlen, die nur etwa 60 cm hoch wird. Die dunkelrote 'Taurus' wirkt wie ein Feuerwerk neben weißen Herbstanemonen oder Silberkerzen und in dunklen Gartenecken leuchtet die weiße Sorte 'Album' wie ein heller Sonnenstrahl. Sehr attraktiv und farbenprächtig, aber etwas langsamer wachsend sind auch die neuen tollen Sorten 'Pink Elephant' (rosa-rot) und 'Orange Field' ( orange-rosa).
Mein Chef schwärmt in den höchsten Tönen vom Alpen-Knöterich (Aconogonon speciosum 'Johanniswolke'), dessen Name von den wolkig-luftigen Blütenständen herrührt, die um den Johannistag (24. Juni) ihre volle Pracht entfalten. Sie ist eine der Stauden, bei denen man sich Ende April noch fragt, ob sie wohl erfroren ist und die dann plötzlich mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem Boden emporwächst und innerhalb kürzester Zeit zur üppigen Schönheit wird. Diese standfeste Solitärstaude begeistert uns bis September mit ihren anfangs weißen, dann rosa überhauchten und später rotbraunen Blüten- bzw. Samenständen. An warmen Tagen verströmt sie einen süßlichen Duft - ob angenehm oder nicht - mag jeder selbst entscheiden.
Für Teichufer und naturnahe Beete mit ausreichender Feuchtigkeit ist der Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis) eine wuchsfreudige und anspruchslose Bereicherung. Eine großblütige Variante davon ist die Sorte 'Speciosum'.
Relativ neu im Sortiment ist der auffällige Buntblatt-Knöterich (Persicaria microcephala 'Red Dragon'). Dieser ca. 60 cm hohe Knöterich besticht durch sein tief weinrotes dreieckiges Laub mit silberner V-Zeichnung und ist ein absoluter Hingucker. Er braucht viel Platz, da er sehr ausladend wird, wuchert jedoch nicht. In rauen Lagen sollte man ihm vorsorglich einen guten Winterschutz zukommen lassen.
Das waren noch lange nicht alle Sorten aus dem reichhaltigen Angebot der Knöteriche, aber ich hoffe, daß ich einige Gartenfreunde neugierig auf mehr gemacht habe und sie mir zustimmen, wenn ich abschließend behaupte:
"Der Knöterich, der Knöterich, der ist ja gar kein Wüterich !"
[Text Marion Hüning]