Statistisch gesehen zieht jeder erwachsene Bundesbürger alle sieben Jahre um. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir Gartenbesitzer aus dieser Statistik herausfallen.
Denn wer die eigene Scholle über Jahre hegt und pflegt, ist oft gedanklich ebenso mit ihr verwurzelt wie ihr Bewuchs.
Doch auch das Neue hat ja bekanntlich seinen Reiz. Noch einmal bei Null anfangen, alle bereits gemachten Fehler vermeiden und einen Garten neu gestalten, der wie ein leeres Blatt Papier nur auf Pinsel und Farbe wartet. Mit diesen Argumenten überzeugte mich meine Familie im vergangenen Jahr mein Elternhaus zu renovieren und dort mit einzuziehen. Der dazugehörige 70er Jahre-Charme- Garten war allerdings im Nachhinein betrachtet alles andere als ein leeres Blatt Papier.
So ein Umzug mit dem grünen Wohnzimmer ist nur mit guten Nerven und langfristiger Planung machbar. Welche Pflanzen nimmt man mit, welche lässt man zurück? Diese Frage hat mich viele schlaflose Nächte und noch mehr Pflanzgefäße gekostet. Denn mitnehmen darf man nur, was beim Verkauf des Gartens nicht im Boden verwurzelt ist. Aus diesem Grund habe ich bereits vor der ersten Besichtigung angefangen sämtliche Stauden und Kleingehölze, die mir ans Herz gewachsen waren, also eigentlich alle, in Töpfe, Schalen, Eimer und andere halbwegs dafür geeignete Gefäße umzupflanzen. Als meine Kids sich irgendwann beschwerten, das wir keine Pausenbrot-Dosen mehr im Küchenschrank hatten, musste ich wohl oder übel den Entschluss treffen, den Rest meiner Staudenkinder im Garten zurückzulassen. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie sich das anfühlt.
Bei jedem Gang durch den Garten wurde ich von den traurigen Blicken der Aussortierten verfolgt. Ich konnte sie förmlich betteln hören, ich möge sie doch bitte mitnehmen. Im Geiste sah ich sie an ihren Wurzeln zerren, um mir nachzulaufen und sich mit den kleinen Ranken an meine Beine zu klammern, dass ich sie nur nicht hier alleine ließe, im trostlosen Ödland, ganz ohne Liebe und Zuwendung... Oh, Verzeihung, da ging wohl meine Phantasie ein wenig mit mir durch.
Ach, was für schöne Erinnerungen sind doch mit meinem Handtuchgärtchen und dessen Bewohnern verbunden! Ich denke zum Beispiel an die spanischen Gänseblümchen, die mich so oft zum Staunen gebracht haben, wenn sie es wieder einmal geschafft hatten, sich in irgendeiner Steinfuge zu behaupten, obwohl ich ihre Pläne die Weltherrschaft zu erlangen schon vor Jahren durchschaut und stets konsequent vereitelt hatte. Oder an das hübsche Reitgras, welches nie seine natürliche, ihm vorbestimmte Größe erreichen konnte, da es durch unseren flexitarisch veranlagten Haushund regelmäßig fachmännisch gestutzt wurde. Natürlich nur um es dann einige Zeit nach dem Verzehr hübsch gepresst auf den neuen Wohnzimmerteppich zu speien.
Ich erinnere mich auch noch gerne an die wunderschöne und wehrhafte Kletterrose 'Ghislaine de Féligonde', aus der ich meinen Mann nach einer missglückten Dachrinnen-Reinigungsaktion zwei Stunden lang freischneiden musste.
Diese und viele andere schöne Erinnerungen sind mit meinem ,Ex- Garten" verbunden, der nun hoffentlich in einer glücklichen und langjährigen Beziehung mit jemand anderem lebt.
Text: Marion Hüning