Nach über zwanzig Jahren als Staudengärtnerin kann ich botanische Namen im Schlaf aufsagen. Sollte ich zumindest, denn ohne sie wäre eine
genaue Zuordnung der Pflanzen nicht möglich. Doch wenn uns Namen wie Hacquetia, Rhodohypoxis oder Schizostylis begegnen, verknoten
selbst wir "alten Hasen" uns manchmal die Zunge. Fachgespräche unter Gärtnern erzeugen bei Nichtbotanikern oft nur ein fragendes Schulterzucken. Ich kann ganz gut nachempfinden, wie es vielen Hobbygärtnern geht, wenn sie zu uns in die Gärtnerei kommen: Glücklich, dass sie sich den
deutschen Namen der gewünschten Pflanze merken konnten, werden sie dann hier mit den botanischen Namen konfrontiert. Doch ohne diese
genaue Pflanzenkennzeichnung würde bei den über 3100 verschiedenen Sorten und Arten, die wir mittlerweile anbieten, das blanke Chaos herrschen.
Ich muss aber anerkennen, dass sich unsere Kunden wirklich große Mühe geben, in die Welt der Staudennamen vorzudringen und uns damit die
Arbeit ein Stück weit leichter machen. Wer sich schon einmal mit dieser Materie beschäftigt hat, wird festgestellt haben, dass durchaus ein System
dahinter steckt: An erster Stelle auf der Visitenkarte einer Pflanze steht ihr Gattungsname und dann folgt der Artname. Wenn es eine Züchtung
oder Auslese ist, wird noch ein Sortenname angehängt, welcher in obere Anführungszeichen gesetzt wird. Für den Pflanzenkauf ist er der Wichtigste, da es meist verschiedene Auslesen und Varietäten innerhalb einer Art gibt. Hybriden (Kreuzungen) zweier Arten werden häufig durch ein x
zwischen Gattungs,- und Artnamen gekennzeichnet. Durch diese Systematik ist jede einzelne Staude genauestens bestimmbar und Verwechslungen werden vermieden.
Oft kann man schon am Namen bestimmte Eigenschaften oder Ansprüche der Pflanze ablesen.
Gute Lateinkenntnisse sind hierbei sehr von Vorteil. Da ist zum Beispiel eine Sagittaria latifolia auf jeden Fall etwas Breitblättriges, denn latifolia
kommt aus dem Lateinischen von latus = breit und folium = das Blatt. So lässt sich vieles einfach herleiten. Manche Stauden wurden auch nach ihrer
Herkunft (z.B. Agastache mexicana > kommt ursprünglich aus Mexiko), einem Züchter (z.B. Calamagrostis x acutiflora 'Karl Förster') oder nach ihrem
Fundort benannt (z.B. Leontopodium alpinum 'Zugspitze').
Manchmal steht hinter dem Namen noch das sogenannte Sortenschutz-Zeichen: ® Dies wird vom Züchter oder Entdecker beim Bundessortenamt
beantragt und bezahlt und sichert ihm ein ausschließliches Vermehrungsrecht dieser Sorte. Gärtner, die diese meist besonders schönen oder gesunden Sorten dann verkaufen möchten, müssen dem Züchter eine zusätzliche Lizenz bezahlen. Daher sind sie in der Regel auch etwas teurer, als ungeschützte Sorten.
In zwanzig Berufsjahren habe ich natürlich auch schon die ein oder andere lustige Geschichte mit Staudennamen erlebt. So fragte z.B. ein Kunde einmal statt nach Delphinium nach Delphinarium und eine liebe ältere Kundin wollte gerne Knabberkraut statt Knabenkraut. Auch Clematitis statt Clematis und Hostien statt Hostas habe ich schon verkauft. Am schönsten fand ich allerdings die Frage, ob wir denn auch Syphilis hätten. Gott sei Dank
bekam ich dann heraus, dass die Frau lediglich Physalis kaufen wollte und wir haben beide herzlich über die Verwechslung gelacht.
Solch lustige Anekdoten machen unseren Gärtner-Alltag noch liebenswerter und ich freue mich schon auf viele weitere nette Kundengespräche und
Fachsimpeleien, gerne auch in botanischem Kauderwelsch.
Marion Hüning