Wenn Menschen sich ein Paradies vorstellen, gleicht es meist einem Garten. In Gärten fühlen wir uns wohl und erholen uns vom Stress aller Art.
Gärten sind Orte der Fülle, der Fruchtbarkeit und des Überflusses. Wir erfreuen uns an ihnen mit allen Sinnen – an der Wärme der Sonne, den
Farben der Natur, den Formen und Düften der Blüten, dem Geruch feuchter Erde, den Tönen plätschernden Wassers und turtelnder Vögel oder
einfach nur an der Stille.
Doch plötzlich glitscht eine Nacktschnecke durch das Idyll und man glaubt fast, sie leise schadenfroh kichern zu hören, weil sie gerade die von
uns so zärtlich gepflegten Staudenbeete ratzeputz abgefräst hat – über irgendetwas muss man sich auch im Paradies ärgern, sonst wird es da zu
langweilig. Womit wir beim Lieblingsaufreger der Hobbygärtner wären. Der gemeinsame Feind im Beet erhitzt die Gemüter und treibt selbst den
Friedfertigsten unter uns den Puls in die Höhe. Wer seine Pflanzenschätze schon einmal bis auf die Blattstängel und das Skelett heruntergefressen
hat dastehen sehen, weiß wie sich das anfühlt.
Auch ich bin eigentlich überzeugter Pazifist und agiere meistens nach dem Motto: „Leben und Leben lassen“. Wenn ich jedoch morgens, den
Schleimspuren folgend, die Schäden begutachte, die die Armee des Grauens im Schutze der Nacht angerichtet hat, greifen auch in meinem Kopf
die weißen Tauben zu den Waffen und schmieden ruchlose Rachepläne.
Was hab ich nicht schon alles probiert um meinen Garten schneckenfrei zu bekommen?! Als Erstes habe ich den Versuch der Umsiedlung in Angriff genommen. Da unsere glitschigen „Freunde“ ja dämmerungs– bzw. nachtaktiv sind, bin ich also mit einer Lampe und einem kleinen Eimerchen bewaffnet des nachts über den taufeuchten Rasen getapst und habe eingesammelt was mir da so über den Weg kroch. Dummerweise habe
ich sehr aufmerksame Nachbarn, was ja in der Regel sehr gut ist, jedoch in dieser Nacht eher ungelegen kam. Nachdem ich den Polizeibeamten
erklärt habe, warum ich zu nachtschlafender Zeit mit einer Taschenlampe im Garten herumschleiche, hatten sie fast so etwas wie Verständnis für
mich. Am nächsten Morgen bin ich dann ins nächstgelegene Waldgebiet gefahren und habe die gesammelten Werke dort in die Freiheit entlassen.
Was soll ich sagen...bereits in der nächsten Nacht waren sie wieder da! Und haben auch noch ihre komplette Verwandtschaft mitgebracht. Auch
die Umsiedlung per Zug ins 700 km entfernte Passau, hielt sie nicht von ihrer Rückkehr ab. Nein...Scherz ;-) Die Tierchen sind einfach äußerst gebährfreudig, so dass für hungrigen Nachschub eben ständig gesorgt ist.
Ein neuer Plan musste her. Der Tipp eines Kunden, sie lebendig bei 40 Grad Außentemperatur in der Biotonne zu dünsten, schied natürlich aus.
Schneckenkorn konnte ich aufgrund eines (außer Schnecken) allesfressenden, in unserem Haushalt lebenden Hundes nicht benutzen. Außerdem
erscheint mir diese Methode doch recht barbarisch, da die Schnecken oft erst tagelang nach der Aufnahme dieser Gifte elendig verenden.
Bierfallen seien die Lösung, las ich in einer Gartenzeitung. Nun, so ein schneller Tod im Alkohol mag für manche vielleicht ganz verlockend klingen, aber für mich ist das nix. Vor allem halte ich nicht viel davon, dass die gesamte Schneckenbrut unserer Siedlung bei mir im Garten eine exzessive Saufparty veranstaltet. Auch die mittelalterliche Art der Hinrichtung durch Zweiteilung mit der Rosenschere brachte ich einfach nicht übers
Herz.
Da Angriff scheinbar keine Lösung war, blieb mir nur noch die Verteidigung. Mein Garten wurde zur Hochsicherheitszone: Alle Beete wurden mit Tannennadeln ausgelegt, da Schnecken angeblich nicht darüber kriechen mögen. Diese Methode erschien mir durchaus logisch, ich würde schließlich
auch nicht wie ein Fakir über ein Nagelbrett zu Tisch kriechen wollen. Weiterhin goss ich meine Beete nur noch sehr sparsam und nicht mehr zum
Abend hin, um es den feuchtigkeitsliebenden Nacktschnecken möglichst ungemütlich zu machen. Damit keine tiefen Spalten und Risse im Boden
entstehen, in denen sich hervorragend Eier ablegen lassen, harkte ich die Beete regelmäßig glatt. Alle teuren und für Schnecken besonders schmackhaften Pflanzen, z.B. Rittersporn, Funkien usw., wurden mit einem Schneckenzaun umrandet. Und es wurde tatsächlich ein wenig besser, die Pflanzen wuchsen nun minimal schneller als sie durch die Räuber dezimiert werden konnten.
Der Durchbruch kam aber erst als ich über eine alte Schulkollegin und Terrarien-Liebhaberin den gescheckten Tigerschnegel kennenlernte und als
meinen persönlichen Sicherheitsbeauftragten einstellte. Der gemeine Tigerschnegel ist ebenfalls eine mittlerweile hier heimische Nacktschneckenart.
Er ernährt sich aber ausschließlich von zerfallenem organischem Material und (Achtung, jetzt kommt's:) von anderen Nacktschnecken und deren
Gelege!!! Er und seine zwei Kumpel, ich habe sie Athos, Portos und Aramis genannt, sind im Sommer bei mir eingezogen, patrouillieren nun durch die
Beete und passen auf meine Stauden auf. Stoßen sie auf Mitglieder der RNF (wie ich meine Rote Nacktschnecken-Fraktion mittlerweile liebevoll genannt habe) krempeln sie ihre imaginären Ärmel hoch und verfrachten den Feind mit einem zackigen: „Du kommst hier net rein!“ vor das Gartentürchen. So ähnlich stelle ich es mir jedenfalls vor.
Ob das alles jedoch einen dauerhaften Erfolg bringt...who knows? Ich habe jedenfalls alles gegeben und kann erst einmal getrost die Füße hochlegen
und meinen Garten genießen.
Marion Hüning